🐋
Walhandel

Elliott-Wellen: Trend- und Korrekturstruktur über Wellen lesen

Die Elliott-Wellen-Theorie versucht, Kursbewegungen
als Wellenstrukturen zu beschreiben.

Der bekannte Kernsatz lautet:

„Fünf Wellen in Trendrichtung,
gefolgt von drei Wellen gegen den Trend,
bilden einen Zyklus.“

  • Positiv: Sie liefert eine Sprache für
    Zyklen der Marktpsychologie.
  • Negativ: Wird sie zu wörtlich genommen,
    kann sie zu Überkonfidenz und Rückblick-Anpassung führen.

In diesem Kapitel verstehen wir Elliott-Wellen als:

  • Struktur-Linse, nicht als magische Formel,
  • ein Werkzeug, das bis zu einem gewissen Punkt hilft,
    darüber hinaus aber riskant wird.

Die folgende Grafik zeigt die klassische 5-auf, 3-ab-Struktur:

  • 1–2–3–4–5: Trendwellen (Impuls),
  • A–B–C: Korrekturwellen gegen den Trend.

1. Kernideen der Elliott-Wellen

1-1. 5-3-Rhythmus: Trend vs. Korrektur

Im Kern geht es bei Elliott darum, dass Kurse häufig in:

  • 5 Wellen mit dem Trend (1–2–3–4–5),
  • gefolgt von 3 Wellen gegen ihn (A–B–C)

verlaufen.

Grob:

  • Welle 1: erster Versuch, einen neuen Trend zu starten.
  • Welle 2: Zweifel und Rücksetzer.
  • Welle 3: stärkste Trendverlängerung
    („Okay, das ist wirklich ein Trend“).
  • Welle 4: Gewinnmitnahmen und Konsolidierung.
  • Welle 5: späte, oft überdehnte Trendphase.

Danach:

  • Welle A: erste deutliche Gegenbewegung.
  • Welle B: Hoffnungsrally („Trend lebt noch“).
  • Welle C: stärkere Korrektur, die oft
    mindestens einen Zyklus abschließt.

In der Realität:

  • Selten passt der Markt perfekt ins Lehrbuch,
    deshalb sollten Wellenzählungen eher als
    beschreibende Sprache verstanden werden.

1-2. Fraktale: Wellen in Wellen

Die zweite Kernidee ist die Fraktalstruktur:

  • Eine einfache 1–2–3–4–5-Bewegung auf dem Tageschart
  • kann auf 4h/1h/5m aus vielen kleineren 5-3-Strukturen bestehen.

Aus /trading/chart-basics/timeframes wissen wir:

„Viele Swings auf kleineren Timeframes
bilden zusammen eine Kerze oder Welle
auf einem höheren Timeframe.“

Elliott-Wellen versuchen, diese verschachtelten Swings
systematisch zu benennen.


2. Wellen zurückhaltend nutzen: Trend- und Korrekturkontext

Wer Elliott zu präzise nutzen will,
landet schnell bei:

  • erzwungenen Zählungen und
  • Aussagen wie „Welle 5 ist fertig, daher MUSS der Markt drehen“.

In dieser Übersicht konzentrieren wir uns auf
minimalen, praxistauglichen Einsatz.

2-1. Wo im Trend stehen wir ungefähr?

In Kombination mit
/trading/chart-basics/swing-vs-correction
helfen Wellen dabei, grob zu fragen:

  • „Ist dieser Trend noch frisch, mittendrin oder schon spät?“
  • „Wie viele größere Aufwärts- und Abwärtsbewegungen
    haben wir auf Tages-/4h-Basis bereits gesehen?“

Beispiel:

  • Zeigt der Tageschart mehrere starke Aufwärts-Swings
    mit Zwischencorrections
    ,
    kann man den Trend Elliott-mäßig
    als mindestens 3 Wellen fortgeschritten betrachten.
  • In späten Phasen werden
    klassische Umkehrmuster
    (double-top-bottom, head-and-shoulders),
    kombiniert mit Volumen- und Volatilitätswechseln,
    wichtige Risikohinweise.

2-2. ABC-Korrekturen: Wo steckt die Korrektur?

Für Korrekturen (A–B–C):

  • A: erste Bewegung gegen den Trend,
  • B: hoffnungsvoller Bounce,
  • C:entscheidende Korrekturphase.

So lässt sich grob einschätzen,
ob eine Korrektur eher am Anfang, mittendrin
oder nahe dem Ende ist.

Aber:

  • Welle C muss nicht an einem exakten Fibonacci-Level enden,
  • und der Versuch, Millimeter-genaue Verhältnisse zu handeln,
    führt häufig zu Überanpassung und Frust.

Die nächste Grafik zeigt
einen 5-Wellen-Aufwärtstrend mit ABC-Korrektur
auf einem höheren Timeframe,
in dem sich auf einem kleineren Timeframe
wieder kleinere 5-3-Strukturen befinden.


3. Elliott-Wellen mit anderen Werkzeugen kombinieren

Am sinnvollsten ist Elliott als Ergänzung
zu einfachen Werkzeugen:

  1. Support/Resistance

    • Zuerst wichtige Levels mit
      /trading/chart-basics/s-r markieren.
    • Dann fragen:
      „Befinden wir uns Wellen-technisch eher früh, mittig oder spät,
      wenn wir diesen Level testen?“
  2. Kerzen- und Chartmuster

    • In späten Trendphasen (vermutete Welle 5)
      auf Muster wie
      candles und
      chart (Dreiecke, Wedges, H&S usw.) achten.
    • Ein Wedge oder Doppeltop im Bereich einer mutmaßlichen Welle 5
      ist ein nützlicher Konfluenzfaktor.
  3. Fibonacci als Zusatzebene

    • Elliott und Fibonacci werden oft zusammengelehrt,
      doch praktischer ist ein Einsatz als:
      • Unterscheidung flacher vs. tiefer Korrekturen,
      • Identifikation von Zonen, in denen sich mehrere Faktoren überlagern
        (alte Hochs/Tiefs, S/R, Fib-Bereiche).
    • Exakte Verhältnisse sollten nicht als Garantien angesehen werden.
  4. Vergleich mit Dow-Theorie und harmonischen Mustern

    • /trading/patterns/chart/dow
      definiert Trends über Hoch-/Tief-Strukturen.
    • /trading/patterns/chart/harmonic
      legt starken Fokus auf Verhältniszahlen.
    • Elliott legt den Schwerpunkt auf Wellenanzahl und Psychologiezyklen.
    • Sinnvoll ist es, sie als verschiedene Blickwinkel
      auf denselben Markt zu nutzen.

4. Typische Fallen bei der Nutzung von Elliott-Wellen

Der schlechte Ruf von Elliott-Wellen kommt oft daher,
wie sie eingesetzt werden.

Häufige Fallen:

  1. Rückblick-Zählungen (Hindsight-Fitting)

    • Vergangene Charts mit 1–2–3–4–5–A–B–C zu labeln
      hilft beim Lernen,
      bringt aber nicht automatisch
      handfeste Vorteile nach vorne.
  2. Glaube an die eine „richtige“ Zählung

    • Verschiedene Trader können
      unterschiedliche plausible Zählungen haben.
    • Die eigene Zählung als absolute Wahrheit zu sehen,
      fördert das Ignorieren von Risiken.
  3. Fehlende Invalidation

    • Jede Wellenidee braucht ein klares
      Über diesem/unter diesem Kurs ist die Idee falsch“.
    • Ohne diese Grenze biegt man die Zählung
      leicht so hin, dass ein Verlusttrade
      möglichst lange gehalten wird.
  4. Timeframe-Verwechslung

    • Einer 5-Wellen-Bewegung im 5-Minuten-Chart
      zu viel Gewicht im Tagestrend zuschreiben,
    • oder jedes Sub-Wellen-Detail im Tageschart überanalysieren,
    • kann Entscheidungsprozesse eher stören als helfen.

5. Minimal-Checkliste für die Praxis

Wer Elliott-Logik nutzen möchte,
kommt mit einer einfachen Checkliste oft weit:

  1. Wo steht der Trend im Lebenszyklus?

    • früh / Mitte / spät?
    • wie viele große Swings sind auf Tages-/4h-Basis bereits gelaufen?
  2. Wo steckt die aktuelle Korrektur (A–B–C)?

    • eher Welle A (erste Gegenbewegung),
    • Welle B (hoffnungsvoller Bounce),
    • oder Welle C (späte Bereinigung)?
  3. Wie passen Wellen zu Levels und Mustern?

  4. Wo liegt die Invalidation?


Elliott-Wellen sollen nicht beweisen, dass

„jeder Markt immer perfekt im 5-3-Muster läuft“.

Stattdessen helfen sie, die Frage zu stellen:

„Wo befinden wir uns ungefähr
im Trend- und Korrekturzyklus der Marktteilnehmer?“

Zusammen mit

entsteht so ein Set aus Struktur-Perspektiven,
das deutlich robuster ist als jede einzelne Theorie für sich.