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Walhandel

Dow-Theorie: Das klassische Fundament moderner Trendanalyse

In diesem Kapitel geht es um die Dow-Theorie.

Kurz gefasst:

„Märkte bewegen sich in mehreren überlappenden Trends,
Trends werden über Hoch-/Tief-Strukturen definiert
und gelten als intakt, bis sie klar gebrochen sind.“

Wir betrachten:

  • was die Dow-Theorie ist,
  • ihre sechs Grundprinzipien,
  • primären, sekundären und Minor-Trend,
  • drei Phasen eines großen Trends,
  • und wie sich dieses Framework
    sinnvoll in die moderne Chartanalyse einbauen lässt.

Die folgende Grafik zeigt:

  • einen primären (langfristigen) Aufwärtstrend,
  • mehrere sekundäre Korrekturen,
  • sowie zahlreiche kurzfristige Minor-Swings,
    die alle auf demselben Chart koexistieren.

1. Was ist die Dow-Theorie?

Die Dow-Theorie geht zurück auf:

  • die Editorials von Charles Dow
    über die Entwicklung der Dow-Indizes und
  • spätere Arbeiten, die seine Gedanken
    zu einem konsistenteren Trend- und Strukturkonzept zusammengefasst haben.

Viele heute selbstverständliche Ideen stammen von dort:

  • Trend als zentrale Größe,
  • Definition von Trend über Hoch-/Tief-Sequenzen,
  • Denken in mehreren Zeitebenen.

Die Dow-Theorie ist eher eine Sprache zum Lesen von Märkten
als ein fertiges Handelssystem.


2. Die sechs Grundprinzipien der Dow-Theorie

Je nach Quelle gibt es unterschiedliche Formulierungen,
im Kern lassen sie sich aber auf sechs Punkte herunterbrechen.

2-1. Der Markt diskontiert alles

„Der Markt diskontiert alle Informationen.“

Im Preis spiegeln sich:

  • Wirtschaftsdaten,
  • Zinsen,
  • Politik, Kriege, Erwartungen, Angst und Gier –

nicht perfekt, aber ausreichend,
um direkt am Preisverlauf zu arbeiten.

Das entspricht der Grundannahme
der technischen Analyse.

  • Primärtrend – Monate bis Jahre,
  • Sekundärtrend (intermediär) – Wochen bis Monate,
  • Minor-Trend – Tage bis Wochen.

Das passt zu unseren Überlegungen in

2-3. Jeder Primärtrend hat drei Phasen

  • Akkumulation,
  • Teilnahmephase (öffentliche Beteiligung),
  • Distribution.

Diese Phasen sehen wir uns in Abschnitt 4 genauer an.

  • Aufwärtstrend:
    • höhere Hochs und höhere Tiefs (HH/HL).
  • Abwärtstrend:
    • tiefere Hochs und tiefere Tiefs (LH/LL).

Das deckt sich mit unserem Support/Resistance-Konzept
in /trading/chart-basics/s-r.

2-5. Volumen sollte den Trend bestätigen

  • In einem gesunden Aufwärtstrend:
    • höheres Volumen in Aufwärtsbewegungen,
    • niedrigeres Volumen in Korrekturen.
  • In einem starken Abwärtstrend:
    • hohes Volumen bei Abwärtsbewegungen,
    • schwächeres bei Erholungen.

Direkte Verbindung zu
/trading/chart-basics/volume.

2-6. Ein Trend gilt als fortbestehend, bis er klar gebrochen ist

„Ein bestehender Trend wird als intakt angenommen,
bis er eindeutig umgekehrt wird.“

In der Praxis heißt das:

  • eine Änderung in der Hoch-/Tief-Sequenz und
  • das Bruch wichtiger Levels,
    die nicht zurückerobert werden.

Genau diesen Gedanken nutzen wir z.B. bei


Ein zentrales Element der Dow-Theorie:

Auf einem Chart überlagern sich mehrere Trends.

Die Grafik oben zeigt:

  • steigenden Primärtrend,
  • mehrere sekundäre Korrekturen,
  • viele kleinere Minor-Swings.

In der Praxis:

  • Investoren:
    • orientieren sich am Primärtrend,
    • nutzen sekundäre Reaktionen,
      um Positionen auf- oder abzubauen.
  • Trader:
    • müssen wissen, auf welcher „Trendebene“
      ihr Timeframe liegt,
    • und entscheiden häufig bewusst,
      eher mit dem Trend des höheren Timeframes zu handeln.

4. Drei Phasen: Akkumulation, Teilnahme, Distribution

Die Dow-Theorie teilt den Primärtrend
in drei Phasen.

  1. Akkumulationsphase

    • Nachrichtenlage wirkt noch negativ oder unsicher,
    • informiertere Marktteilnehmer beginnen diskret zu akkumulieren,
    • der Markt hört auf, neue Tiefs zu machen,
      und bildet eine Basis.
  2. Teilnahmephase (öffentliche Beteiligung)

  3. Distributionsphase

    • News bleiben oft positiv,
    • aber der Markt schafft keine klaren neuen Hochs,
    • große Akteure verteilen/verkaufen schrittweise,
    • komplexe Top-Formationen und
      /trading/patterns/chart/head-and-shoulders
      entstehen häufig in dieser Phase.

Konzeptionell ist das sehr nah
an den Psychologiezyklen in
/trading/patterns/chart/elliott.


5. Trenddefinition über Hochs und Tiefs

In der Dow-Theorie wird Trend
über die Abfolge von Hochs und Tiefs definiert:

  • Aufwärtstrend:
    • jedes Hoch höher als das vorige (HH),
    • jedes Tief höher als das vorige (HL).
  • Abwärtstrend:
    • fallende Hochs (LH),
    • fallende Tiefs (LL).

Die folgende Grafik zeigt:

  • links: saubere HH/HL-Struktur im Aufwärtstrend,
  • rechts: eine Situation, in der
    • neue Hochs ausbleiben (LH),
    • ein zentrales Tief bricht (LL) → und damit ein Strukturwechsel zum Abwärtstrend.

Dieses Konzept bildet die Grundlage für viele Umkehrmuster:


6. Volumen und Dow-Theorie

In der Dow-Theorie dient das Volumen als Bestätigung:

  • im gesunden Aufwärtstrend:
    • mehr Volumen in Aufwärtsbewegungen,
    • weniger in Korrekturen;
  • im starken Abwärtstrend:
    • hohes Volumen in Abwärtsstrecken,
    • geringeres in Erholungen.

Das passt genau zum Ansatz in
/trading/chart-basics/volume:

  • Übereinstimmung zwischen Volumen und Kursbewegung,
  • Volumenspitzen in der Nähe von Hochs oder Tiefs.

7. Einsatz der Dow-Theorie im modernen Trading

Die Dow-Theorie muss nicht
zu einem mechanischen System werden.

Sinnvoller ist es, sie als Struktur-Framework zu nutzen:

  1. Filter für das große Bild

    • auf höheren Timeframes:
      • „Wie sieht der Primärtrend aus?“
      • „Sind wir eher in Akkumulation, Teilnahme oder Distribution?“
    • das beeinflusst, ob man überwiegend mit oder gegen
      den dominanten Trend handeln möchte.
  2. Kontext für Umkehrmuster

    • bei Doppeltop/-boden oder Head & Shoulders:
      • nicht nur die Form betrachten,
      • sondern prüfen, ob sich die Hoch-/Tief-Sequenz
        wirklich von HH/HL zu LH/LL (oder umgekehrt) verändert.
  3. Verknüpfung mit Risikomanagement

    • ein „Trendbruch“ im Sinne der Dow-Theorie entspricht oft einem Invalidations-Level:
      • einem gebrochenen und nicht zurückeroberten Schlüssel-Tief/-Hoch,
    • solche Levels eignen sich oft als Stop-Regionen
      im Kontext von
      /trading/risk-management.

8. Weitere Kapitel, die gut dazu passen

Da die Dow-Theorie eine Grundsprache für Trend und Struktur ist,
ergibt sie besonders viel Sinn zusammen mit:

So wird die Dow-Theorie
zu einem stabilen Rückgrat dafür,
wie wir über Trend, Struktur und Umkehr sprechen.