Harmonische Muster: Swings mit verhältnisbasierten Strukturen lesen
In diesem Kapitel geht es um harmonische Muster.
Kurz gesagt:
Sie nutzen Swing-Beziehungen und Verhältnisse,
um innerhalb einer X–A–B–C–D-Struktur
potenzielle Umkehrzonen zu markieren.
- Bekannte Beispiele sind AB=CD, Gartley, Bat, Crab, Butterfly.
- Fast alle werden über Fibonacci-Verhältnisse definiert.
- Im praktischen Trading funktionieren sie deutlich besser als
Interessenszonen, nicht als exakte Wendepunkte.
Die folgende Grafik zeigt
die einfachste AB=CD-Struktur in vereinfachter Form:
- Abwärts- (oder Aufwärts-)bewegung AB,
- Retracement BC,
- und eine weitere Bewegung CD in dieselbe Richtung,
mit ähnlicher Länge/Steigung wie AB.
AB=CD bedeutet nicht, dass der Markt an D sicher dreht.
Es sagt vielmehr: „Dieser Bereich ist strukturell interessant –
beobachte, wie der Markt hier reagiert.“
1. Was ist ein harmonisches Muster?
1-1. Swing-Beine und ihre Beziehungen
Harmonische Muster basieren auf einer Gruppe von Swings:
- X–A–B–C–D
und der Frage:
- Wie stark hat jedes Bein relativ zu den vorherigen
korrigiert oder erweitert? - Zeigt der Verlauf Symmetrie oder Proportion,
statt reinen Zufall?
Grob:
- X→A: erste starke Bewegung,
- A→B: erste Korrektur,
- B→C: Bewegung zurück in Trendrichtung,
- C→D: letzter Schub,
in dem mehrere Projektionen zusammenfallen.
Im Mittelpunkt steht:
Relative Größe und Richtung der Beine
und ob sich eine ausgewogene Struktur ergibt.
1-2. Rolle der Fibonacci-Verhältnisse
Harmonische Muster werden meist mit Fibonacci-Zahlen beschrieben:
- 0,382 / 0,5 / 0,618 / 0,786 / 1,27 / 1,618 usw.
In der Praxis:
- diese Werte eher als Bereiche statt als exakte Punkte sehen,
- nach Zonen suchen, in denen:
- mehrere Retracements/Extensions zusammenfallen,
- und diese mit Levels aus
/trading/chart-basics/s-r
(Support/Resistance) übereinstimmen.
Diese Zone ist dann eine Kandidatenzone,
in der man die Preisreaktion genauer beobachtet.
2. Grundstruktur: X-A-B-C-D und Verhältniszonen
Die nächste Grafik zeigt
eine typische bullische X–A–B–C–D-Struktur:
- X→A: erster Impuls nach oben,
- A→B: Korrektur,
- B→C: Fortsetzung des Trends,
- C→D: letzte Korrektur/Extension
(die D-Zone steht im Fokus).
Wichtige Punkte:
- Zuerst die relative Größe und Richtung der Beine betrachten.
- Auf dem Weg C→D:
- Retracements und Extensions von XA, AB, BC, CD projizieren,
- prüfen, wo sie clustern.
- Dann fragen, ob dieses Cluster:
- in der Nähe eines wichtigen Levels aus
/trading/chart-basics/s-r liegt, - oder aus Sicht von
/trading/chart-basics/swing-vs-correction
eine sinnvolle Position im Swing-Zyklus einnimmt.
- in der Nähe eines wichtigen Levels aus
Erst wenn mehrere Faktoren zusammenkommen,
wird D zu einer interessanten Reaktionszone,
nicht zu einem garantierten Wendepunkt.
3. Häufige harmonische Muster
Es gibt viele benannte harmonische Muster.
In der Praxis reichen ein paar Grundmuster aus.
3-1. AB=CD-Muster
AB=CD ist das Basismuster.
- Die Beine AB und CD sind ähnlich lang und steil,
- die gesamte Bewegung wirkt annähernd symmetrisch.
Trader beobachten den Bereich um D
als potenzielle Zone für eine kurzfristige Umkehr oder Pause.
3-2. Gartley, Bat, Crab, Butterfly
Muster wie Gartley, Bat, Crab, Butterfly
teilen sich das X–A–B–C–D-Skelett.
Unterschiede liegen vor allem darin,
- wie tief B im Verhältnis zu XA korrigiert,
- wie weit C im Verhältnis zu AB reicht,
- wie weit D sich relativ zu BC oder XA erstreckt.
Intuitiv:
- Gartley zeigt häufig moderate Retracements und Extensions,
- Bat / Crab / Butterfly platzieren D eher
in tieferen oder stärker erweiterten Zonen.
Im Handel ist weniger wichtig,
ob genau „Gartley“ oder „Bat“ vorliegt,
sondern:
- wie gestreckt die Gesamtstruktur ist und
- ob die D-Zone mit früheren Swings und S/R-Bereichen zusammenfällt.
4. Harmonische Muster vs. andere Chartmuster
Harmonische Muster betrachten ähnliche Kursbewegungen
wie andere Chartmuster, aber mit anderem Fokus:
-
/trading/patterns/chart/triangle,
/trading/patterns/chart/triangle-types,
/trading/patterns/chart/wedge
→ betonen Konvergenz/Divergenz von Hochs und Tiefs. -
/trading/patterns/chart/double-top-bottom,
/trading/patterns/chart/head-and-shoulders
→ betonen wiederholte Tests und Fehlschläge an Levels. -
/trading/patterns/chart/elliott
→ betont Wellenanzahl und Psychologiezyklen. -
Harmonische Muster
→ betonen Verhältnisse und Symmetrie zwischen Swing-Beinen.
Alle fragen letztlich:
„Ist dieser Preisbereich überdehnt oder ausgewogen
im Vergleich zum bisherigen Verlauf?“
5. Praxisnähe: Wie man harmonische Muster sinnvoll nutzt
So können harmonische Konzepte genutzt werden,
ohne dass das Trading zu einem reinen Zahlenspiel wird.
5-1. In „Zonen“ denken, nicht in exakten Punkten
Nutzen Sie Fibonacci- und Harmonische-Regeln als weiche Leitlinien:
- Fokus auf Zonen, in denen:
- mehrere Fibonacci-Level clustern,
- frühere Hochs/Tiefs in der Nähe liegen,
- Levels aus
/trading/chart-basics/s-r
eine Rolle spielen, - /trading/chart-basics/volume
auffällige Spikes oder Austrocknen des Volumens zeigt.
Solche Konfluenzzonen
sind meist wertvoller als einzelne „magische“ Zahlen.
5-2. Entry, Stop und Ziel getrennt planen
Bei einer bärischen Harmonic-Idee zum Beispiel:
- D-Zone
= Bereich, in dem mehrere Projektionen zusammenfallen. - Entry
= erst nach sichtbarer Reaktion:- Umkehrkerzen aus
/trading/patterns/candles, - oder kleine Muster (Mini-Doppeltop, kleine H&S)
aus /trading/patterns/chart
in/um die D-Zone.
- Umkehrkerzen aus
- Stop
= Kursniveau, an dem klar ist:
„Diese Struktur ist falsch“,
nicht „ich gebe dem Trade noch etwas Luft“. - Ziele
- erstes Ziel nahe dem letzten Swing-Tief/-Hoch,
- weitere Ziele über einen Anteil der Musterhöhe
oder über Trailing-Stops.
Positionsgröße und Gesamtrisiko
müssen weiterhin zu /trading/risk-management passen.
6. Typische Fallen bei harmonischen Mustern
-
Reines Zahlenspiel
- Fixierung auf „0,618 vs. 0,61“
statt auf das Gesamtbild. - Der Markt schuldet niemandem exakte Dezimalstellen.
- Fixierung auf „0,618 vs. 0,61“
-
Übergewichtung des Musternamens
- „Es ist ein Bat, also MUSS der Markt hier drehen“
ist gefährlich. - Besser: „Die Struktur ist gedehnt,
mehrere Verhältnisse und Levels treffen hier zusammen –
ich beobachte die Reaktion.“
- „Es ist ein Bat, also MUSS der Markt hier drehen“
-
Ignorieren des Kontexts
- Ein kleines harmonisches Muster
gegen einen sehr starken Trend auf höherem Timeframe
ist oft nur eine Pause, kein großer Wendepunkt. - Immer prüfen:
- Trendrichtung auf höherem TF,
- Position im Swing-Zyklus (früh/mittig/spät) via
/trading/chart-basics/swing-vs-correction, - Volumenkontext via
/trading/chart-basics/volume.
- Ein kleines harmonisches Muster
-
Kein Plan für Fehlschläge und Extensions
- D-Zonen scheitern oft: der Markt überschießt
und die Struktur dehnt oder verändert sich. - Solche Fehlschläge können selbst
zu verwertbaren Signalen werden,
siehe /trading/patterns/failure.
- D-Zonen scheitern oft: der Markt überschießt
7. Lernpfad: Wo passen harmonische Muster hinein?
Statt harmonische Muster zum Hauptframework zu machen,
ist es meist sinnvoller, sie als zusätzliche Linse zu nutzen.
Gute Begleiter:
-
Grundkontext
-
Chartmuster & Wellenansätze
-
Fehlmuster & Fallen
Harmonische Muster sind damit eher ein Werkzeug,
um zu beurteilen, ob Preisbewegungen
verhältnismäßig oder überzogen sind –
immer eingebettet in ein breiteres Strukturverständnis.