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Walhandel

Bollinger-Band-Mean-Reversion: Bandberührungen als Übertreibungszonen nutzen

In diesem Artikel geht es um eine Mean-Reversion-Strategie auf Basis der Bollinger-Bänder.

Wir setzen voraus, dass Sie Bollinger Bands gelesen haben und wissen:

  • dass Bollinger-Bänder aus gleitendem Durchschnitt ± k Standardabweichungen (kσ) bestehen,
  • dass Band-Kontraktionen/-Expansionen Volatilitätsveränderungen visualisieren,
  • und dass ein Band-Ausbruch nicht zwangsläufig zurückkehrt,
    sondern auch der Beginn eines starken Trends sein kann.

Hier betrachten wir Bollinger-Bänder nun gezielt aus Mean-Reversion-Sicht:

Statt „Bandberührung = immer dagegen handeln“
fragen wir:

„In welchen Marktumgebungen führen Berührungen der oberen/unteren Bänder
mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer Rückkehr zum Mittelwert?“

Darauf aufbauend skizzieren wir die Struktur einer Bollinger-Mean-Reversion-Strategie.


Die folgende Grafik zeigt:

  • links: eine Range-/Slow-Umgebung,
    in der der Preis wiederholt die oberen/unteren Bänder berührt
    und anschließend zur Mittellinie (gleitender Durchschnitt) zurückkehrt;
  • rechts: eine starke Trendphase,
    in der der Preis das äußere Band entlangläuft („Band-Walking“).

Bollinger-Mean-Reversion-Strategien machen hauptsächlich in der linken Umgebung Sinn.
In der rechten Umgebung sollten Trendfolge-Setups im Vordergrund stehen.


1. Wie setzen wir Bollinger-Bänder in dieser Strategie ein?

Die Kurzfassung zu Bollinger-Bändern lautet oft:

  • oberes Band → überkauft → potenzieller Rückgang,
  • unteres Band → überverkauft → potenzielle Erholung.

Das blendet jedoch drei wichtige Aspekte aus:

  1. Bedeutung der Mittellinie

    • Der gleitende Durchschnitt aus MA repräsentiert grob
      die zentralen Tendenzen des jüngsten Preises.
  2. Bandbreite = Volatilität

    • enge Bänder → komprimierte Volatilität mit Potenzial für Expansion,
    • breite Bänder → bereits hohe Volatilität.
  3. Zusammenspiel mit Marktstruktur

    • Range-Ober-/Untergrenzen aus S/R,
    • Candle-Patterns aus Candle Patterns,
    • Volatilität und Stop-Distanz aus ATR.

In dieser Strategie dienen die Bollinger-Bänder als:

  • Umgebungsfilter und Markierung extremer Zonen, und
  • die eigentlichen Einstiege werden über
    Preisstruktur + Candle-Patterns + ATR-basiertes Risikomanagement definiert.

Kurz gesagt:

  • Bollinger-Bänder zeigen, wo Extrembereiche liegen,
  • aber Handelsentscheidungen benötigen zusätzlich Kontext und Struktur,
    nicht nur die Information „Band berührt“.

2. Einstellungen und Timeframes: klassisch 20, 2σ, Daily + 4H

Die Standard-Einstellungen sind:

  • Periode: 20 (MA-20),
  • Standardabweichung: 2 (± 2σ).

Wir orientieren uns in dieser Strategie an diesen Defaults.

Timeframe-Kombination:

  • Daily-Bollinger-Bänder
    Bewertung, ob die Umgebung Mean-Reversion-freundlich ist (Range/Slow-Trend).
  • 4H-Bollinger-Bänder
    Bandberührungen/-Ausbrüche + Candle-Patterns zur
    Feinabstimmung des Umkehr-Timings.

Andere Kombinationen (4H/1H etc.) sind möglich,
wichtig ist die Rollentrennung:

  • höherer TF: Umgebungsfilter,
  • niedrigerer TF: Timing für Ein- und Ausstieg.

3. Daily-Chart: „Bollinger-freundliche“ Umgebungen erkennen

3-1. Für Mean Reversion günstige Bollinger-Strukturen

Auf Tagesbasis sind Mean-Reversion-Ansätze oft besonders geeignet, wenn:

  • laut S/R
    eine klar definierte Range mit Range-Top und Range-Bottom sichtbar ist,
    zwischen denen der Preis mehrfach gependelt ist;
  • laut MA
    der Preis um die MA-20 oszilliert und sich nicht dauerhaft entfernt;
  • laut DMI/ADX
    der ADX um 20 oder darunter seitwärts läuft, also choppy/Range-Umgebung;
  • Berührungen der oberen/unteren Bänder häufig von
    Rückkehrbewegungen zur Mittellinie gefolgt sind.

In dieser Situation:

  • Range-Top + Berührung des oberen Bandes → Short-Mean-Reversion-Kandidat,
  • Range-Bottom + Berührung des unteren Bandes → Long-Mean-Reversion-Kandidat.

3-2. Gefährliche Bollinger-Strukturen (Band-Walking)

Mean Reversion wird riskant, wenn:

  • laut MA-60
    der Preis klar trendförmig auf einer Seite der MA-60 läuft;
  • laut DMI/ADX
    der ADX deutlich erhöht ist;
  • die Bollinger-Bandbreite groß ist – Hinweis auf hohe Volatilität;
  • der Preis das äußere Band entlangläuft
    (klassisches „Band-Walking“).

In diesem Umfeld:

  • jedes Mal beim Berühren oder minimalen Überschreiten des oberen Bandes zu shorten,
  • oder beim unteren Band immer wieder long zu gehen,

bedeutet praktisch stetige Kämpfe gegen den Trend,
nicht die Nutzung eines Mean-Reversion-Edges.

Entscheidend ist nicht die „Bandberührung“ an sich,
sondern „in welchem Struktur- und Volatilitätsregime sie stattfindet“.


4. Grundstruktur: Range + Long am unteren Band, Short am oberen Band

Schauen wir uns ein konkretes Beispiel an und beginnen mit einer Long-Mean-Reversion-Idee.

  1. Umgebung (Daily)

    • nach S/R
      existiert eine mehrfach getestete Range-Unterstützung;
    • nach MA
      pendelt der Preis um die MA-20 und entfernt sich nicht dauerhaft;
    • nach DMI/ADX
      ist der ADX niedrig (um 20 oder darunter);
    • es gibt mehrere Beispiele, in denen Berührungen des unteren Bandes
      von Rückkehrbewegungen zur Mittellinie gefolgt wurden.
  2. Bedingung 1: Kurs nähert sich Range-Bottom + unterem Band (4H)

    • im 4H-Chart erreicht der Kurs die Range-Unterstützung/Schlüsselzone,
    • und berührt gleichzeitig das untere Band oder rutscht kurz darunter.
  3. Bedingung 2: Candle-Patterns und Momentum

    • nach Candle Patterns
      erscheinen lange untere Lunten, bullish engulfing, inside bars usw.,
      die auf nachlassenden Verkaufsdruck hinweisen;
    • nach RSI
      befindet sich der RSI im oder nahe dem überverkauften Bereich
      und das Momentum flacht ab.
  4. Bedingung 3: Volatilität und Stop-Distanz (ATR)

    • nach ATR
      passt die (1R-)Stop-Distanz bei einem Range-Break
      in die Regeln von Risikomanagement;
    • bei extrem breiten Bändern prüfen,
      ob 1R nicht so groß ist, dass es das Konto unverhältnismäßig belastet.
  5. Einstieg, Stop, Ziele

    • Einstieg: nahe Schlusskurs der 4H-Signalkerze,
      sobald der Abprall von der Unterstützung klar ist;
    • Stop:
      • unterhalb des Range-Bottoms mit Puffer oder
      • 1,0–1,5 ATR unter dem unteren Band;
    • Ziele:
      • erstes Ziel: Mittellinie (MA-20),
      • zweites Ziel: Range-Mitte oder Range-Top,
      • wenn möglich ein Chance/Risiko-Verhältnis von mindestens 1:2 anstreben.

Für Short-Mean-Reversion kehren Sie die Logik um:

  • Range-Top/Widerstand + Berührung/Ausbruch über das obere Band,
  • bärische Candle-Patterns (obere Lunten, bearish engulfing usw.),
  • Stop über Range-Top + ATR-Puffer,
  • Ziele an der Mittellinie sowie in Range-Mitte/Range-Bottom.

5. Daily vs 4H: Band-Kontraktion/-Expansion und Umgebungswechsel

Ein wesentlicher Vorteil der Bollinger-Bänder ist,
dass die Bandbreite selbst Informationen enthält.

5-1. Daily: Umgebung über Bandbreite lesen

Im Tageschart:

  • enge Bänder + Preis nahe MA-20:
    • komprimierte Volatilität,
    • Mean-Reversion-Setups können in dieser Phase attraktiv sein.
  • schnell expandierende Bänder + Band-Walking:

Daily-Bollinger-Bänder geben somit Auskunft:

„Befinden wir uns aktuell in einer komprimierten Range
oder in einer bereits expandierten Trendphase?“

5-2. 4H: Bandberührungen mit Candle-Patterns kombinieren

Wenn die Umgebung als Mean-Reversion-freundlich eingestuft ist,
helfen 4H-Bollinger-Bänder beim Trigger und Timing.

Beispiel:

  • Long:

    • Daily: Range-Bottom, moderate/enge Bänder, niedriger ADX;
    • 4H: Durchbruch des unteren Bandes + lange untere Lunte + überverkaufter RSI
      → Long-Mean-Reversion-Kandidat.
  • Short:

    • Daily: Range-Top, moderate/enge Bänder, niedriger ADX;
    • 4H: Durchbruch des oberen Bandes + lange obere Lunte + überkaufter RSI
      → Short-Mean-Reversion-Kandidat.

6. Typische Fallen bei Bollinger-Mean-Reversion

6-1. Jede Bandberührung als Kontra-Trend-Signal behandeln

Das ist die häufigste Falle.

  • In starken Trends kann der Preis das äußere Band
    über viele Kerzen hinweg berühren und entlanglaufen.
  • Wer jedes Mal beim oberen Band shortet (oder beim unteren longt),
    stellt sich damit systematisch gegen den Trend.

Lösung:

  • Bollinger-Setups immer in Kombination mit MA-60
    und DMI/ADX betrachten,
    um Mean Reversion nicht in ausgeprägten Trendphasen zu handeln.

6-2. Band-Kontraktions-Ausbrüche mit Mean Reversion verwechseln

Nach einer extremen Band-Kontraktion ist ein starker Ausbruch häufig:

  • der Beginn eines neuen Trends oder
  • ein Volatilitätsausbruch, den man nicht sofort gegenhandeln sollte.

Wer jeden ersten Ausbruch nach enger Bandphase als Mean-Reversion-Signal interpretiert,
handelt oft genau gegen den Start einer Bewegung.

Lösung:

  • den ersten starken Move nach enger Band-Kontraktion
    als möglichen Trendfolge-Kandidaten sehen;
  • Mean Reversion eher auf fehlgeschlagene Ausbrüche
    oder spätere Re-Ranging-Phasen anwenden.

6-3. Stops hinausschieben, weil „der Preis schon zurück zum Band kommt“

Mean-Reversion-Strategien verleiten schnell zu dem Gedanken:

  • „Der Kurs wird früher oder später zur Mittellinie/zum Band zurückkehren.“

Dadurch entsteht die Versuchung:

  • Stops zu verschieben oder nicht zu respektieren,
    wenn der Kurs länger außerhalb des Bandes bleibt.

Lösung:

  • die Regeln aus Risikomanagement
    zu 1R-Stop, Tages-/Wochenverlusten und maximalem Drawdown
    konsequent einhalten,
  • den Stop als nicht verhandelbar betrachten,
    egal wie „offensichtlich“ ein zukünftiger Rebound scheint.

7. Vor- und Nachteile der Bollinger-Mean-Reversion-Strategie

7-1. Vorteile

  • Verbindet Mittelwert (Mittellinie) und Volatilität (Bandbreite).
  • Funktioniert gut zusammen mit RSI-Strategie,
    um Mean-Reversion-Kandidaten weiter einzugrenzen.
  • Lässt sich sauber mit ATR kombinieren,
    um konsistente Stop-/Ziel-/Positionsgrößen zu definieren.

7-2. Nachteile und Hinweise

  • In starken Trends wird sie leicht zu einer dauerhaften Kontra-Trend-Strategie.
  • Fehlinterpretation von Band-Kontraktions-Ausbrüchen
    kann dazu führen, dass man gegen den Beginn eines Trends handelt.
  • Ohne solides Framework aus Risikomanagement
    kann der Glaube „der Kurs kommt schon zurück zum Mittelwert“
    das konsequente Begrenzen von Verlusten erschweren.

8. Checkliste vor einem Bollinger-Signal

Immer wenn der Kurs das obere/untere Band berührt
oder außerhalb der Bänder handelt, hilft folgende Checkliste:

  1. „Ist dies auf Daily-Basis
    eine Range-/Slow-Trend-Umgebung
    oder ein starker Trend?“

  2. „Deuten MA-60
    und DMI/ADX
    ebenfalls darauf hin, dass Mean Reversion hier überhaupt angebracht ist?“

  3. „Befindet sich der Kurs gemäß S/R
    in der Nähe der Range-Ober-/Untergrenze
    oder eines wichtigen Unterstützungs-/Widerstandsniveaus?“

  4. „Sind die Bänder aktuell
    eng und kontrahiert oder bereits stark expandiert?“

  5. „Zeigen 4H-Bandberührung/-Ausbruch,
    Candle Patterns
    und RSI zusammen
    tatsächlich einen Umkehrhinweis?“

  6. „Passen Stop, Ziel und Positionsgröße
    in mein Risikomanagement-Regelwerk?“


Am praktikabelsten ist es, Bollinger-Mean-Reversion so zu sehen:

„eine Strategie, die Mittelwert (Mittellinie) und Volatilität (Bandbreite)
nutzt, um Umkehrungen in Range-/Slow-Trend-Umgebungen zu handeln“
.

  • Auf dem höheren Timeframe (Daily)
    zunächst Umgebung (Trend vs Range) und Bandstruktur (Kontraktion vs Expansion) beurteilen,
  • auf dem niedrigeren (4H)
    Bandberührungen/-Ausbrüche mit Preisstruktur, Oszillatoren und Volatilität kombinieren,
    um Einstiege und Risikomanagement für die Rückkehrbewegung zu planen.

In Kombination mit Trendfolge
und RSI-Strategie
kann dies eine wichtige Mean-Reversion-Säule im Gesamtsystem bilden.